Griechenland

Fahrt von der Küste Richtung Osten hinein in ein wildromantisches Bergland, dass anders ist als der Rest Griechenlands, nämlich grüner - und touristisch längst nicht so entwickelt. Auch gut.

Epirus heißt die Region, weiter östlich Pindosgebirge: spärlich besiedelt, eine verschwenderisch üppige Vegetation, Rückzugs- gebiet für Bären und bis vor einigen Jahren mühsam zu durchfahren. Das hat sich geändert: heute schleusen wir Mathilda in eine Autobahn vom Feinsten ein, die wie ein Gewächs brutalst diese Bergwelt durchschneidet: die A2. Wir rollen mautfrei über brandneuen Asphalt und passieren endlose Tunnels. Würden wir nachts fahren, kämen wir auch noch in den Genuss einer über weite Teile beleuchteten Fahrbahn. Jede der Lampen, die sich da aneinander- reihen, könnte wahrscheinlich die defekte Flutlichtanlage unten im Fußballstadion von Igoumenitsa ersetzen. Da wundert sich der Bär am Straßenrand und in uns schleichen sich drei ketzerische Fragen ein. 1.) Geht's auch etwas kleiner? Die Verkehrsdichte hier möchte man als homöopathisch bezeichnen. Dann und wann brausen wir an ein Schild vorbei, dass darauf hinweißt, dass wir hier über ein EU-Projekt rollen, und da sind wir doch gleich bei Ketzerfrage 2: Kann es wohl sein, dass hier meine Steuergelder sinnlos verbraten werden? Ein kurzer Abschnitt der Autobahn - so zwei, drei Kilometer vielleicht -  ist übrigens noch nicht fertig. Und weil wir ja inzwischen alle über das griechische Steueraufkommen bescheid wissen, liegt die Vermutung nahe, dass es sich hierbei um den Abschnitt handelt, den der ansässige Steuerzahler zu finanzieren gehabt hätte. Das führt uns schließlich zu Ketzerfrage 3: Kann es sein, dass die Griechen einfach cleverer sind als wir ...?

Nach zwei Stunden Fahrzeit verlassen wir diese anmaßende Trasse, biegen nach Süden ab und schaukeln von nun an gut gelaunt über kurvige, holprige Bergsträßchen. So haben wir uns das vorgestellt. Wir fahren über einen lückenlosen Teppich aus Mischwald und weiten Olivenplantagen. Dann und wann passieren wir aufgeräumte Dörfer, wo sich graue, meist zweigeschossige und mit dünnen Schieferplatten gedeckte Häuser an die Hänge der Hügel schmiegen.

 

Und dann erreichen wir das Tal von Meteora.

 

Es erwartet uns ein atemberaubender Anblick: Im Tal erhebt sich schweigsam eine Vielzahl einzeln stehender Fels- nadeln, auf denen vom weltlichen Trubel ermüdete Einsiedler den passenden Ort für das asketische Leben fanden. Seit dem 14. Jahrhundert wurden 24 Klöster auf die verschiede- nen Felsspitzen erbaut, fünf von Ihnen sind heute noch bewohnt.

 

Wir errichten ein Lager am Fuße der Felsen auf einem einfachen, beschaulichen Campingplatz, holen dass Motorrad von der Bühne und erkunden unter einer milden griechischen Sonne die Gegend. Meteora bedeutet "in der Luft schwebend" und die Klöster scheinen sich tatsächlich im Himmel zu befinden. Früher mussten die Besucher sie auf gefährlichen und wackeligen Leitern erklettern, die 30 Meter und länger waren und am Felsen befestigt wurden. Heute erreichen wir drei der Klöster über steile Stufen und nachträglich erbaute Brücken. In allen dreien besichtigen wir Kirchen, oder eher Kapellen, die uns ein ums andere mal tief bewegen und auch verstören. Es sind dunkle Sakralräume, über und über geschmückt mit Fresken, Skulpturen und Ikonen. Nur spärliches Tageslicht dringt ins Innere und erleuchtet byzantinische Wandgemälde,  die von blutigen Martyrien der Heiligen erzählen. Der Duft von Weihrauch vermengt sich mit den Alphaschwingungen von unzähligen Gehirnen, die hier über Jahrhunderte hinweg auf der Suche nach Erlösung von weltlichen Seelenqualen mit ihrem Gott rangen. Die Räume sind beklemmend. Und dann auch wieder inspirierend.

 

In den zwei Tagen, in denen wir uns in diesem Tal bewegen, erspüren wir das meditative Kraftfeld von Meteora, seine Spiritualität und seine ebenso betörende wie bedrückende Atmosphäre. Wir haben beide so unsere Probleme mit Gott, doch man mag von ihm halten, was man will. Wenn der Glaube an ihn solche Orte schafft, dann ist er groß und mächtig.

 

Die Autobahn, diesmal die A1, spült uns hinab an die Küste, zurück ins weltliche Dasein. Hier gibt es Kassen- häuschen für Mautgebühren. Die sind allerdings unbesetzt, bis auf ein, zwei Ausnahmen, und die wiederum an Abschnitten, wo eine Gebühr nicht zwingend gerechtfertigt wäre. Für eine gerade mal 1,5 Kilometer lange fertige Teilstrecke löhnen wir 5,50 €. Liebe Griechen, da gibt es Nachbesserungsbedarf!

 

Unsere letzten Tage in diesem so angenehmen Land verbringen wir im türkeinahen Grenzstädtchen Alexandropouli. Auf einem Campingplatz am Strand, versteht sich. Meer und Himmel wetteifern darüber, wer das schönere Blau hat. Wir bummeln inmitten der Woche hinein ins Städtchen, und gesellen uns am helllichten Tag mit gefühlten 90% seiner sympathischen, gutgelaunten Einwohner in Strandbars und Kneipen. Zum Trinken, Essen und Genießen. Wer arbeitet hier eigentlich, stellt sich uns da gleich Ketzerfrage Nummer 4, und die führt uns geradewegs zurück zu Ketzerfrage Nummer 3: sind die Griechen eben doch cleverer als wir ...?


Meteora