Endlich unterwegs

Zwei Jahre haben wir uns für diese Reise vorbereitet: haben Pläne geschmiedet, Routen entworfen und wieder verworfen, ein passendes Fahrzeug und die notwendige Ausrüstung angeschafft, Nächte am Computer verbracht um jede noch so unbedeutende Info aus dem Internet herauszuquetschen, haben Luftschlösser gebaut und über nahe liegendes wie „gibt's eigentlich in Peru einen anständigen Espresso" gegrübelt (und sicherlich eine Antwort in diversen Reiseforen gefunden), wir haben so ziemlich alle Ämter in München aufgesucht, um die notwendigen Papiere zusammenzutragen und einen wirklich beeindruckenden Stapel von Reiseliteratur im Laufe der Monate angehäuft; ... und dann kam er endlich, der Tag X ... und bei uns beiden stellte sich ein merkwürdiges „Nichtgefühl" ein. Keine rechte Freude über das, was uns erwartet und keine rechte Trauer über das, was wir hinterlassen. Von nun an zwei Jahre unterwegs zu sein war plötzlich eher ein abstrakter Gedanke als ein Anlass zu überschwänglichen Gefühlsausbrüchen.

Wir trafen uns am Tag unserer Abreise mit lieben Freunden im Wirtshaus Rumpler bei uns im Viertel zu einer letzten bayerischen Brotzeit. Wir saßen bei sommerlichen Temperaturen draußen unter Sonnen-schirmen, tranken Weisbier, aßen Weiswurst und debattierten angeregt darüber, ob man nun „oa Paar Weiswürscht“ oder „zwoa Weiswürscht“ bestellt. Alles war so vertraut, so normal. Der Gedanke, dass wir all dies für lange, lange Zeit nicht mehr erleben würden schob sich klammheimlich in die so ziemlich hinterste Ecke unseres Bewusstseins.

 

Beim Abschied meldeten sich dann doch die Emotio-nen zurück - und zwar brachial: Tränen, zittrig Lippen, was halt so zu Erwarten war. Als wir schließlich winkend und hupend losfuhren, raus aus dem Glockenbachviertel, die Isar entlang zum mittleren Ring und von dort aus zur Nürnberger Autobahn, war es erstmal lange Zeit ziemlich still im Auto. Jeder brauchte wohl etwas Zeit, die Dinge zu sortieren. Erst etwa auf der Höhe Allershausen wechselten wir wieder die ersten vollständigen Sätze miteinander und es dauerte bis knapp vor Würzburg, bis wir endlich jubelnd und mit voller Inbrunst zum alten Slade-Song mitsingen konnten: „… and I’m far, far away, with my head up in the cloud …!!!“

Drei Tage ließen wir uns Zeit für die Fahrt nach Bremerhaven, wo wir Lucy bei bestem ‚bloß-weg-von-hier'-Wetter an die Reederei übergaben. Zwei weitere Fahrzeuge standen in der Reihe: Günter aus Gröbenzell verschifft ein beeindruckendes MAN-Expeditionsfahrzeug (er wird mit seiner Frau ein Jahr lang durch Nordamerika reisen und sicherlich werden sich unsere Wege so manches Mal kreuzen) und Steffen aus der Nähe von Leipzig mit seinem VW-Pritsche (er ist Kfz-Mechaniker und baut sich in Kanada eine neue Existenz auf. Wir haben E-Mail-Adressen ausgetauscht, vielleicht sind wir noch eines Tages froh, einen Kfz-Mechaniker in Kanada zu kennen).

Herr Neubauer von Seabridge kümmerte sich rührend um uns, wir füllten alle notwendigen Papiere aus und verabschiedeten uns von unserer alten Lady.

 

Nun ist Lucy im Schiffsbauch der „Atlantic Conveyor" unterwegs über den großen Teich. In drei Wochen können wir sie in Halifax/Kanada abholen. Wir haben uns in ein Flugzeug nach New York gesetzt und werden dort einige Tage auf Sightseeing-Tour gehen, bevor wir uns langsam nach Norden hocharbeiten. Dass wir nun unterwegs sind – endlich – hat sich mittlerweile in die vorderste Kammer unseres Bewusstseins vorgearbeitet, und wisst Ihr was? Es tut richtig gut ...!!!

 

P.S.: Das aktualisieren der Website geht noch etwas holprig über die Bühne. Aber ich arbeite daran, und beim nächsten mal gibt's dann auch 'ne richtige Fotogalerie!